Professoren und Elektroauto am Limit bei 2. Testfahrt in die Zukunft

1000 km im Stromos – internationaler Langstreckentest durch vier Länder


Nachdem die beiden Professoren Peter Kersten und Jürgen Krome von der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) Anfang 2011 auf einer frostigen Winterreise in Deutschland unterwegs waren, starten sie am 26. August mit dem zum Elektroauto „Stromos“ umgebauten Suzuki Splash in Richtung mediterranem Sommer. Zunächst führt sie ihre insgesamt rund 1000 km lange „Testfahrt in die Zukunft“ per Autozug von Hamburg nach Alessandria in Piemont. Von dort geht es bis auf 1.800 m Passhöhe durch die Seealpen nach Monaco und weiter nach Aix-en-Provence und Mont-pellier bis nach Narbonne. Am 2. September treten sie dort die Heimreise wieder per Autozug an. Ihr besonderes wissenschaftliches Interesse gilt unterwegs den Auswirkungen von Gelände, Außentemperaturen und dem Einsatz neuer elektrischer Komponenten auf die Gesamtenergiebilanz. Die jeweils mehr als 100 km langen Tagesetappen werden die Technik an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen. Mit großer Spannung erwartet auch die Automobilzuliefererindustrie die Praxiserfahrungen dieses Experimentes. Mehrere Unternehmen haben das Projekt finanziell und mit dem Einbau von Komponenten und Messinstrumenten unterstützt: Behr-Hella Thermocontrol GmbH, DB AutoZug GmbH, German E-Cars GmbH, Hella Gutmann Solutions GmbH, Hella KGaA Hueck & Co., MENNEKES Elektrotechnik GmbH & Co. KG und Vector Informatik GmbH gehören zu den Förderern.

Die Fahrdaten werden lückenlos dokumentiert. Eigens zu diesem Zweck wurde der Stromos so aufgerüstet, dass die beiden Forscher unterwegs jederzeit Einblick in das Energiemanagement haben. Die Datenkommunikation erfolgt hierbei über den sogenannten CAN Bus, alle relevanten Daten werden auf einem Datenlogger aufgezeichnet. Zudem verfügen sie über ein von Hella Gutmann Solutions GmbH speziell entwickeltes neues mobiles Diagnosegerät, um Systemstörungen analysieren zu können. Über ein GPS-Tracking-System werden die Streckendaten der Forschungsreise exakt abgebildet. Durch die Verbindung eines internetfähigen Laptops mit dem CAN Bus besteht zusätzlich die Möglichkeiten via Ferndiagnose auf den Stromos zuzugreifen.

Neue Komponenten für grenzüberschreitenden Elektroautoverkehr

Die Fahrt eines deutschen Elektroautos in Italien stellt eine besondere Herausforderung dar, denn dort ist Tagfahrlicht Pflicht. Deshalb wurde der Stromos von dem Automobilzulieferer Hella KGaA Hueck & Co. mit LED-Tagfahrlicht ausgestattet, das wesentlich weniger Energie verbraucht als das Abblendlicht und sich daher auch positiv auf die Reichweite auswirkt.

Das Laden des Stromos während der Autozugfahrt stellt für die Deutsche Bahn ein einmaliges Novum für diese Testfahrt dar. Eine echte Premiere, die aufzeigen soll wie durch die zukünftige Vernetzung der Verkehrsmittel ein ganz neues Mobilitätskonzept entstehen kann. Vom Fahrzeughersteller German E-Cars wurde eigens ein neuer Adapter entwickelt und die fahrzeugseitigen Ladegeräte, die sogenannten On-Board-Charger, so programmiert, dass die zulässige Stromaufnahme nicht überschritten wird.

Auftanken vor dem Fürstenpalast

Neben den technischen Herausforderungen wird der Besuch von Monaco ein besonderer Höhepunkt der Reise sein. Auf Einladung der Stiftung von Fürst Albert II. darf der HSHL-Stromos auf dem Platz direkt vor dem Palast neue Energie tanken. Monaco gilt in Sachen Elektromobilität in Europa als vorbildlich. Dort ermöglichen bereits mehr als 400 Ladestationen im Stadtgebiet eine flächendeckende Versorgung der akkubetriebenen Gefährte. Unterwegs an anderer Stelle werden sicherlich Flexibilität und spontane Lösungen gefragt sein, wenn es um das Aufladen des Autos geht, eben ein echter Praxistest.

Über die Hochschule Hamm-Lippstadt

Mit der Entscheidung der nordrhein-westfälischen Landesregierung, eine neue Fachhochschule in Hamm und Lippstadt aufzubauen, wurde 2009 der Grundstein für eine Hochschule neuen Profils gelegt. Präsident Prof. Dr. Klaus Zeppenfeld und Vizepräsident Karl-Heinz Sandknop haben gemeinsam mit ihrem Team praxiserfahrener Professorinnen und Professoren ein innovatives Studienangebot im Bereich der Ingenieurswissenschaften entwickelt. Zum Wintersemester 2011/12 werden sechs Bachelorstudiengänge angeboten, die sich durch Marktorientierung und hohen Praxisbezugauszeichnen. Wachstum wird in den nächsten Jahren die Entwicklung der Hochschule Hamm-Lippstadt bestimmen. Weitere Bachelor-Studiengänge und Masterangebote werden hinzukommen. Mit der Errichtung der beiden Neubauten in Hamm und Lippstadt werden zeitgleich auch gebäudetechnisch ideale Voraussetzungen geschaffen, um Ingenieurinnen und Ingenieure für die Zukunft auszubilden.

Kompetenzfeld „Elektromobilität erforschen“

http://www.hshl.de/elektromobilitaet-erforschen

Strom statt Sprit

Elektromobilität ist der große Trend in der Automobilbranche. Sowohl Endverbraucher als auch Industrie müssen sich in Zukunft auf veränderte Bedingungen gefasst machen. Eine Möglichkeit: Elektrofahrzeuge. Wer aber heute auf die Steckdose als Tankstelle setzt, steht jedoch mitunter vor Problemen. Kritisch sind zum Beispiel starke Minustemperaturen im Winter, weil der Akku durch die Kälte extrem strapaziert wird. Zusätzlich verringert eine elektrisch betriebene Heizung die Reichweite. Da keine Abwärme des Verbrennungsmotors zur Verfügung steht, muss zusätzlich Energie für die Heizung aufgewendet werden. Neue Konzepte sind hier gefragt, um so effizient wie möglich vorzugehen und die wertvolle und teure Kapazität der Traktionsbatterie zu schonen. Bevor das Elektroauto technisch und finanziell massentauglich wird, gibt es also noch viel Potential für Innovationen, und das durch die gesamte Kette der Automobilzulieferer. Um hier einen Beitrag zu leisten, hat die Hochschule Hamm-Lippstadt ein Elektroauto angeschafft, den „Stromos“.

Elektromobile für Alltag

Bei einem sogenannten Stromos handelt es sich um einen umgebauten Suzuki Splash, der vom Unternehmen German-E-Cars zu einem Kleinserienmodell für den Flotteneinsatz etwa als Kurierfahrzeuge, Auslieferungswagen oder für Car-Sharing-Netze, aber auch zur privaten Nutzung entwickelt wurde.

An der Hochschule Hamm-Lippstadt wird auf interdisziplinärer Ebene, u.a. in Feldversuchen, getestet, wie diese Fahrzeuge z. B. durch den Austausch von einzelnen Komponenten noch effizienter gemacht werden können, wie sich unterschiedliche Außentemperaturen oder die Beschaffenheit der Strecke bzw. Topographie der Route auf die Gesamtenergiebilanz der Fahrzeuge auswirken und sich neue Potenziale erschließen lassen. Ziel ist, die Fahrzeugindustrie in ihren Bemühungen, Elektroautos baldmöglichst zur alltagstauglichen Serienreife zu führen, in der Forschung und Entwicklung zu begleiten und beraten.

„Testfahrt in die Zukunft“ – erste Etappe: Winterreise in Deutschland

Dabei stehen auch immer wieder Langstreckentests auf dem Programm. So haben die beiden Lippstädter Professoren Peter Kersten und Jürgen Krome den „Stromos“ im Februar 2011 unter realen Bedingungen getestet. Von Lippstadt haben sie eine erste mehrtägige „Testfahrt in die Zukunft” bis ins winterliche Oberhof unternommen. Die Tour führte sie über Kassel, Erfurt, nach Thüringen und über Göttingen wieder zurück und war für das Elektroauto eine echte Belastungsprobe, denn bei den täglichen Strecken wurde die maximale Reichweite des Akkus nahezu ausgereizt. Die zeitweiligen Minustemperaturen waren eine zusätzliche Herausforderung. Die Fahrzeugdaten wurden während der Fahrt aufgezeichnet und für eine wissenschaftliche Auswertung aufbereitet; sie werden für Forschungszwecke, aber auch für eine anwendungsorientierte Lehre mit Beispielen aus der Praxis genutzt.

Zweite Etappe führt nach Südeuropa

Nach den Minusgraden auf der Deutschlandreise geht es Ende August ans Mittelmeer. Dabei nutzen die beiden für die ersten rund eintausend Kilometer das Angebot der Deutschen Bahn, mit dem Autozug nach Alessandria, nördlich von Genua, zu fahren. Tourstart ist daher in Hamburg. Alltäglich ist auch noch nicht der Transport eines Elektroautos auf einem Autozug, deshalb unterstützt die DB AutoZug GmbH das Pionier-Vorhaben der beiden HSHL-Professoren und sponsert die beiden Zugtickets. Weitere technische und finanzielle Unterstützung erhalten die Testfahrer von folgenden Unternehmen: Behr-HellaThermocontrol GmbH, Hella Gutmann Solutions GmbH, Hella KGaA Hueck & Co., MENNEKES Elektrotechnik GmbH & Co. KG, Vector Informatik GmbH, German E-Cars GmbH.

Auf den Spuren der Automobilpionierin Bertha Benz

„Es wird Zeit für serienreife Automobile mit alternativem Antrieb“, mit diesen Worten und dem leidenschaftlichen Bekenntnis zur Mechatronik als integraler Bestandteil für die Lösung der anstehenden Herausforderungen in der Automobilindustrie, konnten die beiden Mechatronik-Studentinnen Elisabeth Imming und Julia Müller die Jury überzeugen. Sie sind als Pilotinnen für die „Bertha Benz Challenge“ nominiert und treten für die Hochschule Hamm-Lippstadt bei der Rundfahrt am 10. und 11. September 2011 in einem  HSHL-Stromos an. Zur Challenge eingeladen worden war die Hochschule vom Automobilunternehmen German E-Cars, das auch die Startgebühr übernommen hat. Zudem fördert die Akademische Gesellschaft Lippstadt (AGL) die Teilnahme der beiden Studentinnen durch Übernahme weiterer Kosten. Mit der Teilnahme an der “Bertha Benz Challenge” erhalten die beiden Studentinnen die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile des elektrischen Antriebs auf der knapp 200 Kilometer langen Fahrt hautnah zu erleben. Die Praxiserfahrungen und Auswertungsergebnisse, die an den beiden Tagen gesammelt werden, gehen direkt in das Kompetenzfeld „Elektromobilität erforschen“ ein. Den um die PS oder besser gesagt kW der Elektromobilität auch auf die Straße zu bringen brauchen wir vor allem eines: Die klugen Köpfe unserer zukünftigen Ingenieurinnen und Ingenieure.

Weitere Informationen:

Blog der Professoren Peter Kersten und Jürgen Krome über die Vorbereitungen der Fahrt

Video über den Stromos

Video über die erste Testfahrt

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7 Antworten zu Professoren und Elektroauto am Limit bei 2. Testfahrt in die Zukunft

  1. eDriver sagt:

    Was fuer ein reisserischer Titel!
    Sollte der Text nicht besser “Elektroauto wird zum Testen
    1000km mit der Bahn durch Europa kutschiert” – weil die
    Forscher irgendwie unfaehig sind ???

    Nur weil die keine Schell-Lader im Auto haben wollen die
    nur LACHHAFTE 100km pro Tag fahren und dann wird vom
    LIMIT gesprochen (kopfschuellel).

    Hier die Meinung von EV-Fahrern die seit Jahren taeglich
    im Elektroauto unterwegs sind (auch mehr als 100km LOL):
    http://forum.mysnip.de/read.php?569,330204

  2. eDriver sagt:

    Entschuldigung fuer die div. Tippfehler – aber UNTERWEGS (also eben an der
    Ladestation im Parkhaus 😉 habe ich nur diese Mobile-UMTS-Spielzeug dabei
    (das ist zum “TEXTE” irgendwie nix …)

    • Ulli sagt:

      Jeder testet auf seine Art und Weise.

      Es kommt auch auf die Ziele an.

      Wenn man die eventuell die Hintergründe weiß, dann ist es vielleicht verständlicher.

      Man wird bestimmt noch mehr Infos über die Fahrt bekommen.

  3. Joe sagt:

    Ein echt unterhaltsamer “Test” – man kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen, wenn der Großteil der Teststrecke “1000 km im Stromos” HuckePack per Bahn absolviert wird.
    Besonders lustig ist es, wenn dann auf dem Autozug die 12V-Boardbatterie von der Auto- und Meßelektronik wegen fehlgeschlagener Nachladung leergesaugt wird und das E-Auto dann nicht fährt – mein 15Jahre altes dt. E-Auto Hotzenblitz lädt die 12V Boardbatterie über einen DC/DC-Wandler aus der 168V Traktionsbatterie nach – er fährt aber auch mit leerer oder abgeklemmter 12V Batterie. Oder wurde die Traktionsbatterie auch leergesaugt? Kaum anzunehmen. Man findet zwar nur sehr wenig Daten zum verbauten Akku, aber bei >100km Reichweite ist von >12kWh nutzbarem Energiegehalt auszugehen und man ist sicher nicht völlig leer auf den Zug aufgefahren …
    Aber das erfinden die Herren Professoren bestimmt noch.
    Man hat ja immer etwas Zeit beim Nachladen – vor allem, wenn man keinen gescheiten Drehstromlader auf der Langstrecke dabei hat. Wozu auch. Man will ja etwas sehen in Italien.

    Dafür wurde beim Wintertest immer wieder eingestreut, dass man auf die Heizung verzichtet und zugunsten der Reichweite friert – sehr motivierend und praxisnah! Das testet echt die Grenzen aus. Wie langweilig wäre dagegen möglichst schnelles Zwischenladen und echte Reichweitentests!
    Man wird des Eindrucks nicht Herr, hier wird um des Testen willens getestet. Die Ergebnisse, die sich auf diese Art erzielen lassen, kann man bestimmt einfacher, billiger und schneller bekommen:

    Man muss halt jemand fragen, der sich auskennt.

    Es gibt genug E-Auto-Fahrer, für die “mehr als 100 km langen Tagesetappen” nicht “die Technik an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen, weil es fast Alltag ist. Auch ich bin schon mehrmals >250km am Tag gefahren – ohne Streß – aber mit zusätzlichem Drehstromlader.

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